
16. Oktober 2020 / Portraits
"10 Minuten"
Dieser Text wird etwas länger werden als gewohnt. Ich rede lieber als dass ich schreibe, hier mache ich eine liebenswerte Ausnahme, motiviert von all den intensiven, ehrlichen Erfahrungen, die ich in den vergangenen Wochen erlebt habe.
Das Warum.
Wenn du auch fotografierst, Sport treibst, musizierst, schreibst, egal was, so stellst du dir unweigerlich irgendwann die Frage, was zum Henker du da tust. “Was will ich ausdrücken?”, “Was treibt mich an?”. Ein seelenloses Dahin-Fristen ist nicht jedermanns Sache und das Leben hat bekanntermaßen nur den Sinn, den man ihm gibt. Es hat keinen. Groß wird man in dem was man tut und nur im Jetzt und im Zweifel nur für sich selbst. Streiche das Wörtchen “nur” und der Satz gewinnt an Gewicht.
Warum fotografiere ich Frauen in schwarz-weiss? Ich könnte mir eine Angel kaufen, in der Früh am See sitzen, um unvorsichtige Lebewesen ihrem gewohnten Umfeld zu entreißen. Ihnen zuwinken, sie danach wieder aussetzen. Mich wie ein kleiner Gott fühlen, meditierend in der Stille des Morgens. Stattdessen wähle ich die Kamera, die Begegnung mit Frauen, die ich aus bestimmten Gründen spannend finde und fotografieren mag.
Eine Frau, ein Model steht vor der Kamera, ich dahinter. Ich drücke auf das Knöpfchen, ein Bild entsteht, dass im schlechtesten Fall nur in den sozialen Medien zum Besten gegeben wird. Zufällig vorbeistreunende User – Drogendealer titulieren ihre Kunden genauso – herzen das Bild je nach Laune, wenn auch nur um Aufmerksamkeit zu erheischen. Sehr wertvoll hingegen sind die wenigen, die sich wirklich für meine Arbeiten interessieren. Ich bin sehr dankbar dafür. Wirklich sehr, sehr dankbar.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass die Zahl der People-Fotografen und Modelle rapide zurückgehen würde, wenn Instagram und all die anderen Plattformen schließen würden. Wird nicht so schnell passieren, aber lass uns das mal weiterdenken. Fotografierst du für andere, für die unheimlich unbekannte Community, die deinen Dopaminspiegel für einen kurzen Zeitraum in die Höhe schnellen lässt oder bist du bereit 50 EUR in die Hand zu nehmen und hängst dir das Bild, welches du fotografiert hast, auf welchem du zu sehen bist, an die Wand? Im schlimmsten Fall kriegt das keiner mit. Nur du selbst! Und vielleicht deine Freunde.
Das Projekt
Alles ist laut, schreit, möchte im Mittelpunkt stehen, der mainstream regiert. Zynische Worte, zugegeben. Warum nicht einfach eine Spur ruhiger, den Menschen vor der Kamera finden und ihn seine eigenen Geschichten im Kopf entstehen lassen. Ohne ständig reinzuquasseln. Beim Fotografieren muss man nicht anfeuern, als ginge es um Leben und Tod, sofern die Bilder ruhig und von Melancholie gezeichnet sein sollen, die Frau auf dem Bild im Mittelpunkt steht.
Die Idee: Ein Treffen, Kennenlernen, Cappuccino schlabbern – mein Ding eben – 10 Minuten Ruhe, sich gegenüber sitzen, kein Wort, keine Anweisung, ein schlichtes Licht, schwarz-weiss. Nur der Moment.
Was das mit mir macht.
Das langsame Fotografieren, die Stille, nicht ablenken, im Moment sein, das ist es im Grunde schon. Klingt banal, ist aber sehr viel. Langsamer, ruhiger fotografieren, erfordert nicht zwingend viele Worte während des Fotografierens. Sie stören, denn die Frau vor der Kamera, würde in ihren Gedanken, ihren Emotionen, permanent unterbrochen. Genau diese Ruhe, das Beobachten, das Suchen nach dem intensiven Portraits, dem Bild, das nicht von dem Versuch, richtig zu posen dominiert wird, weckt in mir noch mehr Aufmerksamkeit, als bislang schon immer vorhanden war. Ich bin noch intensiver bei meinem Gegenüber, bin noch beobachtender. Und genau dadurch entstehen andere Bilder. Diese Art des Fotografierens, nicht viel anders, aber eben anders, kann man auf jegliche Szenerie übertragen. Ich bin sicher.
Hier ist die ganze Serie, mit allen wundervollen Frauen, die dabei waren und sind.